Aktuelle E-Bike-Motoren: Eilige drei Könige

Das richtige E-Bike-Motoren-Konzept war bislang eine der entscheidenden Fragen vor der Anschaffung: Das neue E-Bike – lieber mit Mittelmotor oder Nabenmotor? Und wenn Mittelmotor, dann welcher? Jetzt gibt es noch eine weitere Möglichkeit. Weder Mittel- noch Nabenmotor, auch kein Nachrüstsatz oder ähnliches. Und: fast unsichtbar.

E-Bike-Motoren-Konzepte: Bewegung am Markt

Die neuen Motortypen, die weder Tretlagermotoren noch Nabenmotoren sind, sind längst keine Geheimtipps mehr. Seit einigen Monaten erobern sich die Rahmenmotoren als drittes vollwertiges Motor-Konzept einen wachsenden Marktanteil.

Wir bei E-Bike-Spass fahren seit 2016 E-Bikes mit Mittelmotoren von Bosch und Yamaha. Die Kraft und der Charakter der im Tretlager platzierten Motoren sind klasse und passen gut zu den beiden Rädern. Ein EMTB wie unser Haibike SDURO HardSeven und der ganze EMTB-Trend seit etwa 2015 wären ohne die starken Mittelmotoren gar nicht denkbar.

Aber stellen wir doch einmal die aktuellen E-Bike-Motorenkonzepte zusammen.

Mittelmotoren mit Turbo: Höher, schneller, weiter

Um die Krone des kräftigsten E-Bike Mittelmotors wetteifert das Who is Who von Motor- und Fahrradspezialisten aus Deutschland und Fernost mit ihrer ganzen Ingenieurskunst: Firmen wie Bosch, Brose, Continental, Panasonic, Shimano, Yamaha, TQ-Systems oder Bafang, Ansmann, Mahle und weitere.

Höher (raufkommen), schneller (mehr Drehmoment, mehr Power), weiter (effizienter fahren). Am stärksten für Pedelecs ist derzeit wohl der TQ-Systems-Motor mit 120 NM Drehmoment, wie er in der Haibike Flyon-Serie eingesetzt wird. Nachgelegt hat jetzt auch Marktführer Bosch mit dem neuen, kleineren und leichteren Performance CX Motor zum Modelljahr 2020.

Auch kleiner, leichter und reichweitenstärker sind wichtige Kriterien bei Mittelmotoren (Aktueller Mittelmoteren-Vergleich: hier). Deshalb würde ich die Mittelmotor-Klasse nochmal unterteilen:

Die Mittelmotor-Cityklasse bis etwa 50 Nm Drehmoment

Diese Tretlagermotoren (Synonym für Mittelmotoren) sorgen mit etwas weniger maximalem Drehmoment und somit weniger Stromdurst für größere Reichweiten und für leiseres Fortkommen.

Etwa der Brose Drive T, Shimano E6000/E6100/E5000 oder die Bosch Active Line.

Ein Beispiel dieser Motorenklasse ist auch das Prophete Alu-City-E-Bike bei Aldi Nord mit dem e-novation©-Mittelmotor von Bafang. Für die größten Steigungen in der Stadt und im näheren Umland reichen sie aus (wir sprechen hier nicht von San Franzisco oder Teneriffa…).

Der Nabenmotor: Auslaufmodell oder Comeback?

Der Nabenmotor schien ein Auslaufmodell zu werden. Im Vorderrad verbaut wird er tatsächlich nur noch in Ausnahmefällen. Im Hinterrad hatte er zeitweise einen schweren Stand gegenüber dem Mittelmotor. Heckmotor-Pionier BionX musste schließen, der Schweizer Spezialist Go SwissDrive hat die Entwicklung eingestellt.

Dabei war der Hinterrad-Nabenmotor in einer Beziehung dem Tretlagermotor hoch überlegen: der Nabenmotor konnte wie ein Dynamo Energie gewinnen. Durch die sog. Rekuperation konnte – wie beim E-Auto üblich – der Nabenmotor die beim Bremsen freiwerdende Energie in Strom umwandeln und direkt wieder in die Batterie bzw. den E-Bike-Akku einspeisen.

Allerdings war diese Energierückgewinnung beim E-Bike wohl nicht so stark, dass die Reichweite des Akkus dadurch wirklich deutlich gewachsen wäre, wie mir ein Freund und BionX-Begeisterter berichtete, der sein Riese & Müller Jetstream den bayerischen Irschenberg hoch und den 250-Watt-BionX-Motor an seine Grenzen getrieben hatte (mehr zu den Erfahrungen mit dem Jetstream und dem BionX-Motor in diesem Artikel).

Nabenmotoren mit Energierückgewinnung haben auch den Nachteil, dass sie schwerer und größer sind als ohne Rückgewinnung. Die leichten Hinterrad-Nabenmotoren, die sich seit einiger Zeit an den bewusst leicht entworfenen City- / Urban- / Lifestyle-Ebikes finden, verzichten deshalb darauf.

Hinterradmotoren: Die Rückkehr

Für das städtische Umfeld braucht es keine Drehmoment-Athleten. An der Ampel ist der elegante Sprinter und im Stadtverkehr der schlanke Ausdauersportler gefragt. Diese Disziplinen bekommen die aktuellen Heckmotoren sehr gut hin.

Die Unterstützung beim Anfahren (Ampel, flache Strecke) kann bei Heckmotoren ähnlich stark sein wie bei Mittelmotoren. Wer mehr zu den Drehmomenten lesen möchte, wird bei unserem Artikel zur E-Bike-Motor-Technik – ergänzt von Besuchern mit fachmännischen Kommentaren – danke dafür – fündig.

Hier ist z.B. der 36V/250W-Hinterradmotor von Bafang führend, auch der deutsche Hersteller Mahle ist seit kurzem mit dem ebikemotion® Hinterradmotor in Desiknio E-Bikes vertreten. Mit Durchmessern von nur etwa 15 Zentimetern fällen diese Motoren kaum auf zwischen Kettenritzeln und Scheibenbremse.

Auch Hersteller Ansmann im baden-württembergischen Assamstadt stellt solche E-Bike-Motoren her, verbaut u.A. in einem der leichtesten E-Bikes aktuell, dem Coboc ONE eCyle F1 mit nur 10,8 kg Gewicht.

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Coboc ONE eCycle
Coboc ONE eCycle - Singlespeed e_bike mit nur 10,8 kg Gewicht

Bild: ebikespass.de

Der Hinterrad-Nabenmotor ermöglicht den Radentwicklern schlanke Designs nah an der Form klassischer Rennräder. Hersteller wie Ampler, Coboc, Desiknio oder VanMoof machen sich dies zunutze und entwickelten Ihre elektrifizierten Stadtflitzer zu einem alternativen E-Bike-Trend: agil, schnell und smart.

Schlanke Akkus fürs neueste E-Bike-Motoren-Konzept

Diesen leichteren Design- und Urban-E-Bikes kommt zu Gute, dass die Motoren nicht unbedingt 500 Wh und mehr an Akkupower benötigen. Beim Coboc TEN Torino sind es zum Beispiel 352 Wh.

Diese lassen mit sicheren und bewährten Akkuzellen mit hoher Leistungsdichte bei geringem Gewicht (z.B. Zelltyp 18650) im Vorderrohr unterbringen, manche Hersteller bedienen sich zusätzlich des Oberrohrs.

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GEOS Stahlrahmen, integrierte Akkupacks
GEOS Stahlrahmen, integrierte Akkupacks in Ober- und Unterrohr

Bild: ebikespass.de

Beim GEOS E-Bike mit Stahlrahmen (zur GEOS Website) sind es Akkus im Vorderrohr und Oberrohr mit zusammen 378 Wh Leistung. Ein interessantes Interview zum GEOS hat der Münchner Fahrradhändler und Videokanal vit:bikes auf den E-Bike Days München geführt – hier auf YouTube zu sehen.

Reichweiten von etwa 80-100 Kilometern lassen sich auch mit solchen unsichtbar integrierten Akkus erreichen. Ich konnte das im Fahrbericht zum TEN Torino bestätigen.

Intelligente Apps ersetzen dazu das klassische e-Bike-Display. Sie sorgen für weiteren Minimalismus in der Optik und für maximale Individualisierung des Radfahrens.

Nicht nur die Unterstützungscharakteristik lässt sich per App steuern, auch gefahrene Leistungswerte lassen sich auslesen.

Der Rahmenmotor

Weder Mittelmotor, noch Nabenmotor, geht das? Nicht im Tretlager, und auch kein Reibrollenantrieb…?

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Fazua E-Bike-Motoren-System für den Einbau im Rahmen
Das FAZUA Motor-System für den Einbau im Rahmen

Bild: FAZUA GmbH Ottobrunn

Die oberbayrischen Tüftler von FAZUA (hochdeutsch: Fahr zu!) haben E-Bike-Motoren entwickelt, die tatsächlich keines davon sind.

Im Tretlager sitzt nicht der Motor, sondern ein Planetengetriebe. Und der Motor? Der liegt direkt darüber bzw. davor, und zwar im Unterrohr, zusammen mit den Batteriezellen und der Motorelektronik in einem schlanken Gehäuse. Nennen wir ihn Rahmenmotor – einen besseren Namen habe ich nicht gefunden, und er trifft es ja auch.

Alles zusammen wiegt nur etwa 3,5 kg und kann komplett entnommen werden, wenn das Rad einmal als Biobike genutzt werden soll. Hightech auf kleinstem Raum, mit 60 NM Drehmoment und 252 Wh Akku durchaus für einige Höhenmeter und Tourenradius geeignet.

Für welche Art von E-Bikes ist dieses Motorkonzept geeignet?

Interessanterweise nutzen bereits beachtlich viele Hersteller (über 28 – u.a. Bulls, Bianchi, Focus, KTM, Lapierre, Pinarello u.a. – siehe Fazua-Website) das Fazua-Konzept für verschiedenste E-Bike-Typen: eRoad, eUrban, eRace, eMountainbike, eGravel.

Ein ähnliches Konzept hatte auch Vivax aus Österreich entwickelt: Hier sitzt der Motor versteckt im Sattelrohr. Bei diesem Motor stehen wohl 200 Watt für bis zu Minuten zur Verfügung (Quelle).

Ist das die E-Bike-Zukunft? Gar nicht so abwegig, wenn du dir vorstellst, die Energiedichte der Akkus nimmt in naher Zukunft noch zu, so dass sich die Reichweite bei gleicher Größe des Akkupacks nochmal um 30 oder sogar 50% erhöht. Der nächste Sprung in der Batterietechnik dürfte nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen.

Aber auch ohne weiter verdichtete Akkupower: Wenn du sportlich fahren kannst und willst, d.h. deine eigene Kraft noch spüren und nur dosiert unterstützen, dann scheinen die Rahmenmotoren eine gute Wahl.

Außer Konkurrenz: Der Transversalfluss-Motor

Oder bist du Profi und sind dir alle Mittel recht – inklusive 200.000 Euro Investition? Dann vielleicht der Transversalfluss-Motor, über den Spiegel Online berichtet hatte. Um ihn am Rad zu entdecken, reicht kein genauer Blick mehr, dazu braucht es Hightech.

Aktuelle E-Bike Motoren: Zusammenfassung

  • Der Power-Mittelmotor für volle Kraft und Leistung z.B. am Berg oder im Cargo-Bike. Also die Klasse um den Bosch Performance Line CX, Brose Drive S Mag, Shimano E8000, Yamaha PW-X oder der TQ-Motor
  • Der Ausdauer-Mittelmotor für das City-E-Bike als Alltags- und Freizeit-Allzweckrad. Hierzu zählen die Bosch Active Line, Brose Drive T, Shimano E6000 und E5000
  • Der unauffällige Hinterrad-Nabenmotor für die elegante, fahraktive Unterstützung im städtischen Bereich. Hierzu zählen die Nabenmotoren von Bafang, Ansmann und weiteren Herstellern. Eher Ausnahmen sind EMTB-Bikes mit Nabenmotor: etwa das Einsteiger Hardtail EMTB Focus Whistler 6.9 EQP
  • Der Rahmenmotor. Vivax nennt ihren „Sattelrohrmotor“, aber das passt nicht für das Konzept von Fazua. Vielleicht schlagen die findigen Jungs bei Fazua ja noch einen griffigeren Namen vor.

Video 1: EMBN Test – Hinterradmotor vs. Mittelmotor im Gelände

Wenn wir schon bei eher skurrilen Themen sind: Hierzu passt dieser Vergleich von zwei Einsteiger E-MTBs (Hardtails) mit Hinterrad-Nabenmotoren mit einem Mittelmotor-Haibike im leichten Gelände. Das Video zeigt immerhin, dass diese Motoren wirklich besser auf dem Asphalt oder leichtem Geläuf in und um die Stadt aufgehoben sind.

Video 2: Fazua Antrieb am eEnduro

Das neue Lapierre E-Zesty AM integriert den Fazua Antrieb in einen Allmountain-Carbon-E-Bike und wird in diesem Video von Markus Unger (vit:bikes) und Felix Kuffner (Fazua) auf den E-Bike-Days München vorgestellt und am Olympiaberg-Teststrecke gefahren:

Danke für die Aufmerksamkeit!

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Author: ebikespass

Hallo, ich bin Günter. E-Bikes verbinden für mich ideal Fitness und eine ordentliche Entdeckungsreichweite ... Die Elektrofahrräder tun Umwelt, Körper und Seele gut! Für den Blog teile ich meine technische Neugier und berichte über neue Modelle. Ein persönliches Dankeschön an alle, die mit ihren Kommentaren, eigenen Erfahrungen und Fragen diesen E-Bike-Blog weiter aufwerten und anderen weiterhelfen!

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